Nach dem Pariser Massaker

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Übersetzt von Deep Roots

English original here [2]

Am 14. November, dem Tag nach den tödlichen Anschlägen moslemischer Terroristen in Paris, stellte der Pianist Davide Martello sein großes tragbares Piano nahe dem Bataclan-Theater auf, wo 89 der Opfer ermordet wurden. Vor den versammelten Medien spielte er dann eine Instrumentalversion von John Lennons „Imagine“.

„Ich wußte einfach, daß ich etwas tun mußte“, sagte Martello. „Ich wollte dort sein, um zu trösten zu versuchen und ein Hoffnungszeichen zu geben. Ich kann die Leute nicht zurückbringen, aber ich kann sie mit Musik inspirieren, und wenn Menschen inspiriert sind, können sie alles tun. Deshalb habe ich ‚Imagine’ gespielt.“

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Es wäre leicht, über die Naivität und die ohnmächtige Sentimentalität solcher Ergüsse zu spotten, aber das Bemerkenswerte ist, wie weitverbreitet diese Mentalität in Wirklichkeit ist. Tatsächlich ist „Imagine“ wahrscheinlich so eine Art atheistischer Hymne, die das Utopia signalisiert, das kommen soll, wenn wir nur alle fest genug hoffen können. „Imagine there’s no heaven. It’s easy if you try.“ Es ist sicherlich leicht für die entwurzelten Bürger europäischer Länder, die in die Vergessenheit schlurfen, sich vorzustellen, daß es den Himmel nicht gibt. Die Grundeinstellung jedes jungen, intelligenten Europäers sind Säkularismus, Vielfalt und Konsumismus. Eigentlich sind das so ziemlich die Werte der Französischen Republik.

Dies erklärt vermutlich einiges davon, warum die Reaktion auf diese Greueltaten großteils darin besteht, daß Leute erklären, daß sie mit ihrer Lebensweise / ihren Werten als Akt des Trotzes gegen die Mörder weitermachen werden. Die Hoffnung dabei ist, daß Shoppen und Müllkultur irgendwie die Feindseligkeit der Invasoren wegzaubern wird. Oder daß es uns vielleicht wenigstens daran hindern könnte, an sie denken zu müssen.

„Imagine“ ist auch eine Hymne an die Globalisierung, die Homogenisierung und die Auslöschung von Identität: „Imagine there’s no countries. It isn’t hard to do. Nothing to kill or die for. And no religion too.“ Für diejenigen Konsumbürger, die tief in Vorstellungen von universalistischer, pazifistischer Brüderlichkeit stecken, die implizit an das Narrativ vom Ende der Geschichte glauben, durch das „Freiheit“ und Demokratie amerikanischen Stils über alle vorhergehenden Formen von Staatlichkeit triumphieren werden, ist es wirklich schwierig zu verstehen, warum wir nicht einfach alle Grenzen aufgeben und als Weltbürger leben können. Immerhin sind die Dschihadisten von der Zugehörigkeit zum Kalifat motiviert, einem religiös verfaßten Staat. Eindeutig sind Identität und Religion die Ursache der Probleme, daher sollten wir diese Dinge meiden, um eine Lösung zu bieten. Mehr Säkularismus, mehr Migration und mehr Gleichheit. Mehr Gift, das als Medizin etikettiert ist.

Solches Wunschdenken ist immer reizvoll, weil nette Fantasien von ihrer Art her attraktiver sind als harte Realitäten. Und die (ziemlich offensichtliche) Realität ist, daß ein aggressiver Feind nicht durch Pazifismus eingeschüchtert wird. Egal wie viele „wenn doch nur“ wir zum Himmel flüstern, die Realität bleibt, daß Europa in seine Grenzen eine sehr große Zahl von Menschen eingeladen hat, die jede Absicht haben, weitere Greueltaten zu begehen, und dekadentes Gewinsel bestärkt sie nur in ihrer Absicht. Denn ihre Absicht ist transzendent, sie soll den Willen Gottes ausführen, und sie sind völlig dazu bereit, für diesen Zweck zu sterben.

Nun ist dies nicht wirklich ein Grund, sie zu bewundern; sie sollten zu Recht als die hartherzigen Mörder verdammt werden, die sie sind. Aber was wir ihnen entgegensetzen müssen, ist nicht eine weitere Erosion unserer bereits zerbröckelnden heiligen Traditionen, sondern eine Verdoppelung unserer Bemühungen, unsere eigenen schlafenden Traditionen wieder zu heiligen und, was vielleicht noch wichtiger ist, neue zu schaffen. Nur auf diese Weise werden wir in der Lage sein, den inneren Willen zu manifestieren, der nötig ist, um unseren eigenen Niedergang zu stoppen und unsere Länder zurückzugewinnen. Denn die gegenwärtige Generation von Europäern ist in Gefahr, genauso sehr zu Fremden in Europa zu werden, wie es die islamischen Neuankömmlinge sind.

Aber warum ist dieses Gefühl für das Transzendente notwendig? Heißt das nicht, sich in der gleichen Weise ein Utopia zu wünschen, wie diejenigen, die John Lennons Text verehren, sich ihr egalitäres Utopia wünschen? Nun, tatsächlich sind das völlig verschiedene Prozesse. Die Notwendigkeit, das zu suchen, was Europäern heilig ist, und einen transzendenten kollektiven Willen zu manifestieren, ist eine Bewegung über die Ebene des Individuums hinaus. Die Art von Säkularismus und Egalitarismus, die zunehmend als Ideal hochgehalten wird, ist ein Abstieg unter die Ebene des Individuums auf jene des Massenwesens. Die Notwendigkeit einer transzendenten Bestimmung ist überhaupt nicht dasselbe wie eine Notwendigkeit, aus der realen Welt zu flüchten, wie sie tatsächlich beschaffen ist; es ist statt dessen eine Kanalisierung der höchsten Impulse im Menschen hin zur Schaffung von etwas Besserem.

Bei seinem Prozeß im Jahr 1951 sagte Julius Evola: „Meine Prinzipien sind nur diejenigen, die vor der Französischen Revolution jeder wohlgeborene Mensch als vernünftig und normal betrachtete.“[1] Tatsächlich könnte man den Beginn der gegenwärtigen Malaise auf die Revolution von 1789 und die Gründung der Französischen Republik betrachten. Die Ideale der Reblublik haben uns dorthin gebracht, wo wir jetzt sind, mit der Annahme, daß überhaupt jeder von überall auf der Welt im Prinzip ein Bürger jedes europäischen Landes werden kann, das er sich aussucht. Jedes Individuum ist völlig austauschbar. Aber natürlich nehmen die jüngsten Neuankömmlinge in Europa gerne die Staatsbürgerschaft an, ohne ihre Überzeugungen aus der Zeit vor der Französischen Revolution hinter sich zu lassen. Und, wie Kipling vor vielen Jahren schrieb, haben wir keine Möglichkeit zu sagen, „when the Gods of his far-off land / Shall repossess his blood“ [„wann die Götter seines weit entfernten Landes / wieder von seinem Blut Besitz ergreifen werden“].

Die Wiedereinsetzung dieser höheren Prinzipien wird die große Herausforderung für unsere Generation sein. Aber es ist wichtig festzuhalten, daß wir bei der Suche nach dem Heiligen und bei der Wiederannahme traditioneller Werte nicht danach streben, die Uhr zurückzudrehen. Evola war sich darüber im Klaren: „Was für den authentischen revolutionären Konservativen wirklich zählt, ist nicht, vergangenen Formen und Institutionen treu zu sein, sondern vielmehr Prinzipien, deren besonderer Ausdruck solche Formen und Institutionen gewesen sind, angemessen für einen spezifischen Zeitraum und für ein spezifisches geographisches Gebiet.“[2]

Unsere Traditionen sind unterschiedlich und vielfältig, aber sie alle drücken ein tieferes Prinzip aus, das als das höchste Ideal des europäischen Menschen dasteht. Dieses Prinzip strebt danach, unsere Gesellschaften zu organisieren und hin zu einer ewigen Wahrheit zu orientieren. Diese Wahrheit existiert, ob wir sie nun anerkennen wollen oder nicht. Die besonderen Formen ihres Ausdrucks werden von Land zu Land variieren, aber das Wichtige ist, daß sie sich auf dem gesamten europäischen Kontinent manifestiert.

Ironischerweise ist es das Streben nach Säkularismus, welches die abergläubische Ablenkung des gegenwärtigen Zeitalters ist, nicht das Streben nach dem Heiligen. Er ist abergläubisch, weil er glaubt, daß der gegenwärtige globale Konflikt durch Appelle an den sich ständig verlagernden Sand der Rationalität gelöst werden kann. Er glaubt, daß die Soldaten des Islam letztendlich an der Offenbarung des Denkens der Aufklärung teilhaben und sich neben die Lämmer des Westens legen werden. Die Rationalität ist ein Präzisionswerkzeug, das uns von großem Nutzen sein wird, nachdem die Krise abgewendet worden ist. Einstweilen müssen wir die Sehnsucht nach einem dummen Utopia der Koexistenz und des friedlichen Einkaufens beiseite lagen. Am Ende des 21. Jahrhunderts wird Europa von einer bestimmten religiösen Weltsicht dominiert werden. Welche soll es sein?

Fußnoten

1. Julius Evola, Men among the Ruins: Post-war Reflections of a Radical Traditionalist (Rochester, Vermont: Inner Traditions, 2002), S. 294.

2. Ebd., S. 115.

Source: https://schwertasblog.wordpress.com/2015/11/17/nach-dem-pariser-massaker/ [4]